Sonntag, 8. Juli 2012

Debatte um Münchner Politikwissenschaft: Hans-Martin Schönherr-Mann

Aktuell tagt ein Unterausschuss des Bayerischen Landtages zur Weiterentwicklung der Politischen Wissenschaften in München. Im Kern geht es um die Zukunft der weitestgehend eigenständigen Hochschule für Politik München.

Am Freitag, den 6. Juli, gab es einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der die Haltung der "Modernisierer" an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der LMU München referiert. Auf diesen hat Prof. Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann geantwortet.


Sein Beitrag in einer vorläufigen Version ist auf diesem Blog dokumentiert.






Hans-Martin Schönherr-Mann, 08.07.2012

Zum Bericht über den Landtagsausschuss zur Hochschule für Politik

Prof. Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann

Wenn Herr Grande die Qualität der Prüfungen an der HfP in Zweifel zieht, dann sollte man sich diese einmal genauer anschauen.

Der Promotionsstudiengang ist relativ neu und die Erfahrungen noch gering.
Aber der Diplomstudiengang der HfP verlangt erheblich mehr als der Magisterstudiengang oder gar der des Bachelor am GSI. Der Magisterkandidat sucht sich einen Betreuer für seine Arbeit. Den Zweitgutachter kann er selber oder sein Betreuer benennen. Der Diplomand kann sich den Betreuer der Diplomarbeit aussuchen. An der Themenstellung wirkt noch der Prüfungsausschuss mit. Der Zweitgutachter wird von diesem ebenfalls festgelegt.

Der Magisterstudiengang enthält eine Klausur, die der Betreuer stellt und alleine korrigiert. Je nach Betreuer ist das Thema mehr oder weniger bekannt. An der HfP müssen fünf Klausuren in den verschiedenen Fachgebieten geschrieben werden. Zwei Themen stehen jeweils zur Auswahl, die Prüfer eingereicht und der Prüfungsausschuss ausgewählt haben. Die Klausuren werden von zwei Gutachtern unabhängig voneinander beurteilt, was sich dadurch bekräftigen lässt, dass die Noten sehr stark voneinander abweichen. Die Themen können daher anders als am GSI gar nicht bekannt sein. Als vor Jahren ein Themensteller mal Themen durchsickern ließ, gab es einen Skandal. Die Klausur musste wiederholt werden, der Themensteller diese Aufgabe aufgeben.

Die mündliche Magisterprüfung findet beim Betreuer statt. Die Nebenfachprüfer sucht sich der Kandidat sowieso selber aus. Aber an der HfP werden die mündlichen Prüfer erlost.
Als Professor am GSI und als Prüfungsbeauftragter an der HfP habe ich meine HfP-Studenten immer gefragt, warum sie an der HfP und nicht am GSI studieren, weil der Magister viel einfacher ist. Dass das wirklich so ist, das bestätigen auch die Noten. Im Durchschnitt ist ein Diplomand eine Notenstufe schlechter als ein Magistrand. Dass der Bachelor das Niveau nicht zu halten vermag, ist stadtbekannt, wiewohl nicht die Schuld des GSI. Dass aber das Diplom ein hohes Niveau hat, ist ein Vorteil der HfP, dem das GSI wenig entgegenzusetzen hat.

Vordiplom und ehemalige Zwischenprüfung, an denen ich beteiligt war bzw. bin, sind in etwa vergleichbar. Die Kosten pro Studienplatz und Abschluss liegen an der HfP zudem ungleich niedriger, was ja auch nicht verwundert, hat die HfP keinen eigenen Lehrkörper und die Honorare denkbar niedrig.

Dass die GSI-Professoren plötzlich überbelastet sind, was ihre Vorgänger offenbar nicht waren, funktionierte die Zusammenarbeit früher reibungslos, kann nur verwundern, noch dazu da am GSI die Studentenzahlen nicht signifikant gestiegen sind. Wenn es hier persönliche Konflikte zwischen GSI und HfP gibt, dann liegt der Verdacht nahe, dass sie just aus dem Grund vom Zaun gebrochen wurden, um die Professoren von der Arbeit für die HfP zu befreien. Zudem kann man von der Professionalität von Professoren verlangen, dass sie solche Konflikte aushalten bzw. darüber hinwegsehen. Deswegen können sie doch nicht ihre Mitarbeit verweigern, zu der sie nun mal gesetzlich verpflichtet sind. Zudem waren alle momentanen Professoren des GSI über ihre Dienstverpflichtung gegenüber der HfP informiert, als sie ihre Stelle antraten.

Diskussion der Studivertreter an LMU , TUM und HfP

Das andere zentrale Argument von Herrn Grande, dass die HfP eine Wissenschaft auf dem Stand der fünfziger Jahre betriebe, ist ein philosophisches Argument. Man muss ihm leider auf derselben Ebene antworten. Dass Politikwissenschaft nicht mehr sei als die empirische Analyse politischen Handelns, entspricht in etwa dem wissenschaftlichen Verständnis der zwanziger Jahre, der frühen analytischen Philosophie, dem logischen Empirismus, die glaubten, dass man mit einfachen Sätzen einfache Sachverhalte adäquat erfassen könnte. Daraus wurde denn ein kontinuierlicher wissenschaftlicher Fortschritt abgeleitet. Nun hat allerdings die spätere wissenschaftstheoretische Diskussion ergeben, dass Satz und Sachverhalt nicht im Verhältnis einer objektiven Beschreibung zueinander stehen. Die Erlanger Schule, der letzte Versuch, diesen Zusammenhang zu retten, hat sich in den achtziger Jahren selbst aufgelöst.

Wer also empirische Analyse politischen Handelns betreiben will, der muss über den Tellerrand der Empirie hinausblicken, braucht die philosophische Hermeneutik wie die Einsichten der Wissenschaftstheorie. Sonst gilt der Satz Kants: Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Er braucht die Einsichten der politischen Philosophie, die sich just um den Zusammenhang von Empirie und Denken bemüht, beispielsweise bei Hobbes, Locke, Kant und Rawls. Just diese politische Philosophie wird am GSI kaum noch gelehrt, aber an der HfP.

Dem anderen astronomischen Vergleich, die HfP ginge davon aus, die Erde sei eine Scheibe, die GSIler aber davon, sie sei eine Kugel, muss man leider auch wieder mit einem Argument aus der Wissenschaftstheorie begegnen. Seit Thomas S. Kuhn gibt es kaum noch Vertreter eines kontinuierlichen Fortschritts der Wissenschaften. Verschiedene wissenschaftliche Modelle konkurrieren miteinander. Jedes hat seine Vorteile, aber keines ist absolut überlegen. Deswegen sollte man andere Positionen beachten und achten, weil man nie genug dazu lernen kann. Sie zu verachten und sie abschaffen zu wollen, entspricht entweder der Mentalität des kalten Krieges oder der Religionskriege des 17. Jahrhundert.

Prof. Dr. Rupert Stettner, Rektor der HfP

Empirische Analyse politischen Handelns hilft bestimmt Studenten, die sich später mit Politikberatung und vielleicht politischer Verwaltung beschäftigen wollen. Dazu ist das sicherlich nützlich. Aber Politikwissenschaft kann nicht nur mehr. Wenn man das studiert, sollte man auch mehr lernen können, um sich auch andere Berufsfelder zu eröffnen, vor allem im weitesten Sinn in den Medien, die das politische Bewusstsein der Zeitgenossen prägen.

Das hat sich auch verändert. Immer mehr Menschen lassen sich nicht mehr einfach von ihren Politikern lenken, sondern mischen außerinstitutionell in der Politik mit. Eine partizipatorische Demokratie braucht Politikwissenschaftler, die diese Entwicklung mit historischem, philosophischen, ökonomischen, juristischem Wissen begleiten können.

Sie können den Bürgern niemals die empirischen Informationen liefern, mit denen sie die Medien versorgen. Aber sie sollten den Bürgern helfen, ihr Urteilsvermögen zu schärfen und ihr Reflexionsvermögen zu stärken, wie es einerseits Hannah Arendt vorschlägt und andererseits der Soziologe Ulrich Beck, wenn er heute von der reflexiven Moderne spricht.

Das Modell der HfP hat dazu einiges beizutragen, allemal viel mehr als bloße Weiterbildung in public policy, wie es Frau Münch vor dem Landtag vorschlägt. Doch sie vertritt in ihrem Fach wohl auch eher die reine Empirie, die so weit offenbar nicht blickt und die Entwicklungen der Zeit auch nicht so weit überblickt.

1 Kommentar:

  1. Eine Stellungnahme:

    Ich habe tatsächlich sowohl an einer Magisterprüfung an der LMU teilgenommen (in einem geisteswissenschaftlichen Fach) als auch an der Diplomprüfung an der HfP. Beide Prüfungen habe ich bestanden.
    Aus eigenem Erleben kann ich Herrn Prof. Schönherr-Mann (HfP) nur zustimmen.
    Die Prüfungsanforderungen sind an der HfP wesentlich höher. Die Prüfung an der HfP war schwerer. Dies ist unbestreitbar. Allerdings fehlt in seiner Stellungnahme einiges.

    Die Qualität der Prüfungen ist in erster Linie von deren Inhalten abhängig und nicht generell von den Prüfungsanforderungen.
    Ein großer Teil der Professoren der HfP - vor allem in der mündlichen Prüfung, zum Teil auch in der schriftlichen Prüfung - hat einfach gefragt was Ihnen gerade eingefallen ist. Prüfungsrelevante Fragen sind kaum gestellt worden. Zum Teil hat man direkt gemerkt, daß der Herr Professor nicht auf die Prüfung vorbereitet war.
    Die Prüfungsergebnisse sind daher kaum aussagekräftig und miteinander auch nicht vergleichbar. In der mündl. Prüfungen haben die Herren Proffessoren Narrenfreiheit.
    In dieser Art und Weise wurde die Prüfung nicht an der LMU durchgeführt.

    Aussagekräftige Anekdoten zum Personal könnte ich allerdings sowohl zur Professorenschaft der LMU als auch der HfP liefern. "Die Eitelkeit eines Professors soll man nie unterschätzen".
    Dies sagte mal eine Bibliothekarin des Höheren Dienstes zu mir, die jeden Tag mit Professoren zu tun hat.
    Aus eigenem Erleben kann ich dies nur bestätigen. Und diese ganze Debatte gehört genau in diesen Kontext.
    Selbstdarstellung, Ignoranz gegenüber Kritik und starres Festhalten an überkommenen Lehrmeinungen, Arroganz als Kompensation eigener Inkompetenz.
    All dies und mehr habe ich an der LMU und der HfP sehr häufig bei der Professorenschaft erlebt.
    Herr Prof. Stammen (HfP)möchte den Kommentaren seiner Kollegen nicht soviel Gewicht beimessen. Dies sollte man - und ich meine dies wirklich so - im allgemeinen bei den Professoren tun.

    Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Prüfungen an der HfP wesentlich schwerer und zugleich in der Qualität der Durchführung - im Durchschnitt - wesentlich schlechter waren als jene an der LMU.

    Ich habe mir erlaubt - wie ich es immer getan habe - meine Meinung frei zu äußern. So habe ich es erlebt.



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