Freitag, 25. September 2009

Innovationsjournalismus. Was wir jetzt brauchen?

Zumindest in Skandinavien sind Folgen, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik fester Bestandteil der sozialwissenschaftlichen Curricula. Auch in der Regierungspolitik nehmen "science and technology policy" Raum ein. Den nächsten Schritt hat David Nordfors, ein schwedischer Wissenschaftler, gemeinsam mit Kollegen an der Uni Stanford gemacht: Wie Wissenschaft, Wissenschaftler, Institute, Universitäten, Firmen, Start-Ups, Industriepolitik usw. usf. gemeinsam etwas gebären, was wir seit Schumpeter "Innovation" nennen, ist nicht nur Aufgabe der akademischen Forschung. Innovationen, sozialer wie auch wirtschaftlicher und technischer Art, müssen kommuniziert, diskutiert und bewertet werden. Das ist die Aufgabe des Journalismus. Nordfors ist Geschäftsführer des Forschungszentrum Innovation Journalism an der Uni Stanford. Hier wird geforscht, diskutiert und ausgebildet. Überschrift der Aktivitäten und Partnerschaften von Pakistan bis zur Deutschen Welle: "Journalismus ist der Schlüssel um Innovationssysteme mit der demokratischen Gesellschaft zu verbinden." Das allgemeine Ziel ist eine Definition von Journalismus in Bezug auf dessen Publikum, nicht dessen Trägers.

Nordfors und Kollegen scheinen recht erfolgreich zu sein, das Konzept Innovation Journalism zu verkaufen. So wurde am 25. September 09 die "Erste Nordische Konferenz zum Innovationsjournalismus" an der Uni Helsinki abgehalten.
Das Forschungszentrum Kommunikation der Uni Helsinki lud unter dem Titel "Weather-casters of Future? The Role of Journalism in Understanding Technological and Social Innovations" Wissenschaftler und Journalisten zur Konferenz. Zwar bildeten Doktoranden und Studierende die Mehrheit des Publikums, doch waren zumindest laut der Teilnehmerliste die Hauptstadtpresse, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, die größeren Verlage und, angeführt von Nokia, einige ICT-Unternehmen vertreten. Mit Blog und Live-Twitter wehte ein Hauch von Hypermoderne durch die ehrwürdige Helsingin Yliopisto.
Moderiert von Hannu Nieminen vom Forschungszentrum Kommunikation wechselten sich zwei Vorträge (David Nordfors, Uni Stanford und Kevin G. Barnhurst, Uni Illinois at Chicago) mit zwei Podiumsdiskussionen ab.

David Nordfors fordert einen Journalismus über Innovation ein. Er versteht unter Innovation einen "Prozess der Wertschöpfung durch neue Möglichkeiten". Dieser Journalismus hat die Aufgabe, Innovationsprozesse und seine "(Öko-)Systeme" zu kommunizieren, seine technischen, wirtschaftlichen und politischen Aspekte zusammenzuführen und sich in die Lage versetzen, die Zukunft selbst zu diskutieren. Ziel eines Innovationsjournalismus ist die Verankerung der Innovationsfrage im öffentlichen Bewusstsein.

Ein eigenständiger Innovationsjournalismus soll ihrer Bedeutung gerecht werden. Nordfors geht so weit, ein "Innovationssystem" mit dem demokratischen System zu vergleichen: Das demokratische System verteilt Macht durch Stimmabgabe, das marktwirtschaftliche Innovationssystem verteilt "Macht" durch Geldströme. (Nordfors hat für Apple "gewählt", als er sich ein iPhone kaufte.) Weiter geht der schwedische Wissenschaftler davon aus, dass die alte Ökonomie der industriellen Massenproduktion durch eine Innovationsökonomie abgelöst wurde. Die neue ökonomische Herausforderung ist die Erneuerung, die vorhergehende Produkte und Dienstleistungen ersetzt. Laut William Swope (Intel) kommen 90% des Umsatzes von Intel-Produkten die jünger als ein Jahr sind.

Direkt gegen die Rufe vom langsamen Sterben des Journalismus und seiner Aufgaben gerichtet, sieht Nordfors ein ökonomisches Modell des Journalismus (den er übrigens begrifflich stark von dem der (Träger-)Medien getrennt sehen will). Aufmerksamkeit, gesehen als ein knappes Gut, verlangt nach einem Makler. Da Momente der Aufmerksamkeit für ein Produkt oder eine Unternehmung Finanzierung, Kunden, Industriekontakte und politisches Wohlwollen bedeuten können, wird der Aufmerksamkeitsmakler zum Macht- und Einflussmakler. Als beispielhaft präsentiert Nordfors den Blog TechCrunch. Was als Nachrichtenblog für interessante Technik-StartUps begann, ist heute ein gut verdienendes Unternehmen, das sein Geld mit Unternehmensprofilen und als Konferenzveranstalter verdient. Michael Arrington, Gründer von TechCrunch, gehört laut Huffington Post und Time Magazine zu den einflussreichsten Entscheidern in der Branche. Der Makler Journalimus interagiert mit der Öffentlichkeit in dessen Eigenschaft als Publikum als auch mit der Öffentlichkeitsarbeit der Industrie.(siehe dazu Nordfors Artikel vom Oktober 2006) In diesem Spannungsfeld von Interessen entsteht so ein Kommunikationssystem von Innovationen, das wiederum Teil des Innovationssystems ist.
Ein weiteres Argument von Nordfors hört sich beruhigenderweise etwas konservativer und bildungsbürgerlich an. Innovation ist die Einführung von etwas Neuem und benötigt Kommunikation, insbesondere Erklärung und Rechtfertigung des Neuen. Aufgabe des Journalismus ist zum einen die Sprache weiterzuentwickeln um neue Konzepte begreifbar zu machen und brauchbares Vokabular anzubieten. Zum anderen müssen innovative Prozesse und Ergebnisse in eine erzählerische Logik eingebunden und vorgestellt werden.

Innovationsjournalismus muss seinem eigenen Inhalt und der (technischen) Entwicklung gerecht werden. Nordfors stellt die gegliederte Redaktion als vertikale Kanäle dar, die horizontale Topoi zergliedern. Um den technischen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Aspekten gerecht zu werden, sollen die traditionellen Ressorts aufgehoben werden, deren Begrenzungen im multimedialen und digitalen Raum sowieso schon ihre Berechtigungen verloren haben. Leider bleibt die eigentliche Frage nach einem zeitgemäßen Ansatz, Information qualitativ und inhaltlich zu gliedern unerwähnt.
Nachdem die traditionelle Redaktion hingerichtet ist, wird zum Angriff auf den nationalstaatlichen Journalismus geblasen. Während die Wirtschaft bereits global ist, bleibt der internationale Journalismus im Politikressort. Wirtschaftsjournalismus ist für Nordfors noch weitgehend national in der Berichterstattung. Dasselbe gilt für Wissenschafts- und Technikjournalismus. Naturgemäß bleibt das Feuilleton unerwähnt.


Lesetipp: Suchmaschinen: Die Welt als Datenbank, David Gugerli

Erster Eintrag in ersten Blog

Seit einiger Zeit will ich "was schreiben". Was die Frage aufwirft, was ich damit mache. Nachdem ich nun zu meiner Generation gehöre ob ich will oder nicht, werde ich nun eben versuchen zu "bloggen".

Ich werde hier ganz bestimmt keine Selbstversuche in öffentlicher Seelenklemptnerei betreiben. Die Einträge werden wohl eher Artikel werden zu den Themen, die mich interessieren.

Wenn das dann noch jemanden interessiert, mag das überraschend sein, mich aber dennoch freuen.

Lesetipp: Der letzte Kommunist: Das traumhafte Leben des Ronald M. Schernikau, Matthias Frings