Sonntag, 13. Dezember 2009

Markt wird gemacht: Deutsch-Finnische Wirtschaftsförderung

Wenn Invesitionsbroschüren oder web sites des Wirtschaftsstandortes durchgeblättert werden, sieht das alles sehr, sehr frisch und nach Hochtechnologie aus. Dennoch steht noch keine Exportwirtschaft rein auf Silizium und Dienstleistungen.
Zwar machen die großen der Branchen auch den großen internationalen Handel aus. Dennoch gehören die kleinen und mittleren Unternehmen und ihre Aktivitäten zur Wirtschaftsinfrastruktur. Von deutscher Seite aus tritt hier das Netz der Außenhandelskammern auf den Plan. Nach dem Vorbild der deutschen lokalen Industrie- und Handelskammern tragen deutsche und einheimische Firmen gemeinsam einen Verein, der in Kooperation mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, Unternehmerverbänden und Wirtschaftsförderungsgesellschaften Dienstleistungen erbringen. Die AHKs unterstützen die Geschäftspartnersuche, erstellen Markstudien, machen Standortberatung und geben Rechts- und Steuerauskünfte. Im Fall Deutschlands ist hier das Feld Messevermittlung von besonderer Bedeutung.


Im finnischen Fall existiert die Deutsch-Finnische Handelskammer (Saksalais-Suomalainen Kauppakamari) und ihr (jedoch rein exportorientierter) Gegenpart Finpro. Die Bundesrepublik ist, auch "mithilfe" der aktuellen Wirtschaftskrise, der wichtigste Handelspartner für Finnland.
Handel mit Deutschland machte im Januar 2009 (noch vor Schweden, der Russischen Föderation und den USA) 10,5% des finnischen Exports oder 2,3 Milliarden EUR aus. Der Import aus Deutschland hat ein Volumen von 15,1% der Importe nach Finnland oder in absoluten Zahlen 3,2 Milliarden EUR. Die Bundesrepublik löste die Sowjetunion nach ihrem Zusammenbruch als größter Handelspartner Finnlands ab und generiert seitdem 10 - 15% des finnischen Außenhandels. Der derzeitige Abstand zu den Mitbewerbern wird durch die Wirtschaftskrise verstärkt, die etwa den Handel mit der Russischen Föderation weitaus stärker trifft als den deutsch-finnischen Handel. So ist seit 2007 der russisch-finnische Handel um etwa 50% eingebrochen, während 2008 der deutsch-finnische Handel um "nur" 30% zurückging. Der russische Export nach Finnland ist jedoch vor allem Öl. Im Bereich der Waren und Dienstleistungen sind die Länder der Europäischen Union, allen voran Schweden, die größten Konkurrenten Deutschlands um den finnischen Markt.
Im Jahr 2008 machten Importe aus Finnland 1,0% (8,1 Milliarden EUR) des deutschen Importvolumens aus. Im gleichen Zeitraum exportierte die deutsche Wirtschaft 1,0% (9,9 Milliarden EUR) ihres Volumens nach Finnland. In absoluten Zahlen ist damit Finnland zwar weit abgeschlagen hinter den wichtigsten Handelspartnern, den Niederlanden (Import) und Frankreich (Export), im pro Kopf Verbrauch jedoch kauft ein Finne mehr deutsche Produkte als jeder Franzose.
Das Portfolio des deutschen Exports nach Finnland ist geradezu klassisch zu nennen. Jeweils etwa ein Fünftle machen Autos, Maschinenbau und Elektrotechnik aus. Weiterhin wichtig sind Chemie (15%) und Metalle (10%). Im starken Wachstum begriffen ist die Lebensmittelindustrie (5%), seit Lidl in den finnischen Markt eingestiegen ist und deutsche Marken sich in die Regale der finnischen Supermarktkooperativen eingekauft haben. Das mittelfristige Projekt der Deutsch-Finnischen Handelskammer ist, bei deutschen Drogerieketten Interesse für den finnischen Markt zu wecken, wo diese Form des Einzelhandels unbekannt ist. Die AHK verspricht sich davon, den von Konsumgenosschenschaften und Landwirtschaftskooperativen beherrschten Einzelhandelsmarkt aufzumischen und das Preisniveau zu senken.
Nahezu ein Viertel des finnischen Exports nach Deutschland machen Papier und Papiererzeugnisse aus. Metalle, vor allem Stahl, 17%, Elektrotechnik 14%, Maschinen 10% und 4% Holz. Elektrotechnik ist hier nahezu ein Synonym für Nokia, Finnlands größten Konzern und Weltmarktführer auf dem Mobilkommunikationsmarkt. Im weiteren werden Autos mit 6% gezählt, was größtenteils dem Porschewerk in Finnland zuzuschreiben ist, sowie 4% (aus Russland stammendem) Öl.
Wichtig in den nächsten Jahren wird sein, ob die nachlassende Bedeutung der finnischen Papierindustrie aufgefangen werden kann. Umgekehrt ist interessant, dass die Reiseweltmeister mit 84,7 Milliarden EUR Ausgaben für Tourismus gerade 0,4% in Finnland ausgeben. Hier, in einem Bereich, wo Bauchentscheidungen mindestens so wichtig sind wie der Preis für den Flieger, stoßen deutsche Behäbigkeit und finnische Technikbegeisterung aneinander: Selbst auf Tourismusmessen in Deutschland verweisen finnische Repräsentanten auf eine web site, während in der Mehrzahl der deutschen Haushalte noch Prospekte gehortet werden.






Für alle Daten ist die Quelle, soweit nicht anders angegeben, eine Vorlesung von Bernd Fischer am 24. November 2009, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit an der Deutsch-Finnischen Handelskammer an der Handelshochschule Helsinki (Helsingin Kauppakorkeakoulu), einer der Zweige der Aalto Universität (Aalto yliopisto) in Gründung.

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